Weltweit nehmen die Rechtsklagen von Betroffenen gegen die Verursacher des Klimawandels zu, wie ein Bericht der Heinrich-Böll-Stiftung u.a. vom Sommer 2016 dokumentiert. Geklagt wird gegen Unternehmen und Regierungen.
Der Report vergleicht diese Rechtsfälle mit den Klagen gegen die Tabak- und Asbestindustrie. Es gibt jedoch einen großen Unterschied: Klimawandelklagen sind transnational, rechtssystem- und generationenübergreifend und haben globale Auswirkungen. Die Klagen gegen die Tabakindustrie wurden dagegen größtenteils nur in den USA angestrengt. Aber der Klimawandel wird ja auch viel größere Schäden anrichten als der Tabakkonsum oder die Verwendung von Asbest.
Hier ein paar Beispiele aus dem Bericht, die wir – ebenso wie den Hinweis auf den gesamten Climate-Justice-Report – der Webseite der Heinrich-Böll-Stiftung entnommen haben:
- Die nationale Menschenrechtskommission auf den Philippinen untersucht die Menschenrechtsverletzungen großer fossiler Konzerne in Bezug auf Klimawandel und Ozeanübersäuerung, nachdem Elma Reyes und andere mit Unterstützung von Greenpeace nach dem Taifun Haiyan eine Petition eingereicht haben.
- Der bahnbrechende Urgenda-Fall wird weltweit nachgeahmt: Marjan Minnesma und andere niederländische Bürger/innen haben ihre Regierung vor Gericht gezwungen, ihr nationales Emissionsredukltionsziel erheblich anzuheben.
- Die 7-jähriger Rabab Ali verklagt ihre Regierung in Pakistan, um ihre Generation vor den schlimmsten Folgen des Klimawandels zu bewahren.
- Auch in den USA und anderswo sind es vor allem Kinder und Jugendliche, die ihre Zukunft selber in die Hand nehmen und beginnen, Regierungen und Konzerne vor Gericht zu bringen.
Hierzulande ist besonders Saúl Luciano Lliuya, Andenbauer und Bergführer aus Peru, bekannt geworden. Er klagte (und verlor in 1. Instanz) gegen den Energieriesen RWE – ein bislang in Europa einmaliges und für die Anerkennung globaler Klimagerechtigkeit richtungsweisendes Gerichtsverfahren.
Im Namen seiner Heimatstadt Huaraz wirft Saúl RWE vor, dass durch die vom Klimawandel beschleunigte Gletscherschmelze der Palcacocha-Bergsee oberhalb des Ortes dermaßen angeschwollen ist, dass einem Großteil der 120.000-Einwohner-Stadt eine akute Flutgefahr droht. Sie befürchten, dass beim weiteren Abbruch eines überhängenden Gletscherteils eine gewaltige Flutwelle ausgelöst werde und im Bruchteil weniger Sekunden 50.000 Menschen ertrunken wären, darunter auch die Familie von Saúl Luciano Lliuya mit allem Gut und Habe.
Der Konzern RWE trägt laut Saúl einen nicht unerheblichen Teil dazu bei, dass die globale Gletscherschmelze immer zügiger voranschreitet und somit Tausende Leben, vor allem im Globalen Süden, am seidenen Faden hingen. Der Energiekonzern bezeichnet sich selbst als den größten CO2-Einzelemittenten in Europa.
Eine Untersuchung von 2014 zeigt, dass rund ein halbes Prozent aller weltweit seit Beginn der Industrialisierung durch menschliches Handeln freigesetzten Treibhausgasemissionen, durch die Abgasrohre von RWE in die Luft gepustet wurden. Zwar erscheinen 0,5% eher unerheblich, doch jede ausgestoßene Tonne CO2 trägt zu verhehrende klimatischen Auswirkungen bei, von denen im Globalen Norden kaum etwas zu spüren ist.
Saúl möchte mit der Ende 2015 eingereichten Zivilklage erreichen, dass RWE entsprechend seines Anteils an der Verursachung des Klimawandels für Schutzmaßnahmen an dem Gletschersee oberhalb der Andenstadt aufkommt. Es geht um rund 17.000 Euro.
„Das Verfahren ist in Europa einmalig und könnte bei Erfolg weltweit weitere derartige Klagen nach sich ziehen“, so Lucianos Anwältin Roda Verheyen.
Am 3. Juni 2016 reagierte RWE erstmals auf Saúl Zivilklage, doch bestritt sofort, für die Folgeschäden Verantwortung zu tragen. Doch Saúl ist zuversichtlich: „RWE muss Verantwortung für seine Emissionen übernehmen. Wir in Peru haben kaum etwas zum Klimawandel beigetragen, leben aber mit den schlimmsten Konsequenzen.“
Die RWE-Anwälte versuchen darüber hinaus darzulegen, dass trotz ausführlicher Erkenntnisse des Weltklimarats IPCC eine Zuordnung von Emissionen einzelner Emittenten zu der Gletscherschmelze in den Anden nicht möglich sei. Zudem bezweifeln sie, dass der Klimawandel überhaupt Verursacher der Gletscherschmelze in den peruanischen Anden sei. Entgegen den Feststellungen des IPCC behaupten sie aufgrund fehlerhaft dargestellter Daten, die lokalen Temperaturen seien dort gesunken – von einer Erwärmung und einer dadurch beschleunigten Gletscherschmelze könne nicht die Rede sein.werden könne, also gebe es auch kein Flutrisiko.
„Seit Jahren warnen internationale Wissenschaftler und peruanische Behörden, dass herabfallendes Gletschereis jederzeit eine massive Flutwelle aus dem viel zu vollen See auslösen könne“, so Germanwatch.
„Die großen Verursacher des Klimawandels müssen sich endlich ihrer Verantwortung stellen“, fordert Luciano Lliuya. „Es geht um unseren Schutz und um Gerechtigkeit.“
Am 15.12. 2016 wurde das Urteil verkündet: Das Landgericht Essen wies die Klimaklage gegen RWE ab. Doch Saúl zeigt sich kämpferisch: „Es geht um Schutz und Gerechtigkeit für meine Familie und viele Tausend weitere Menschen in Huaraz. Und ich bin weiterhin zuversichtlich, dass uns ein deutsches Gericht die Chance geben wird zu zeigen, dass RWE für unsere gefährliche Situation mitverantwortlich ist.“
Am 26. Januar 2017 legte er gemeinsam mit seiner Hamburger Rechtsanwältin Dr. Roda Verheyen Berufung gegen das Urteil des Landgerichts Essen ein. Er kämpft nun vor dem Oberlandesgericht Hamm weiter für sein Recht.
Der Fall Huaraz spielt auch in der Reportage „Letzte Chance für unser Klima – Worauf es jetzt ankommt“ des Dokumentarfilmers Christian Jentzsch eine wichtige Rolle. Der Beitrag wurde am 25. Juli 2015 erstmalig in der ARD ausgestrahlt. Hier der Ausschnitt zum Fall Huaraz:
Wie es im Fall Huaraz weiter geht und weitere Informationen findet hier.
Quelle:http://germanwatch.org