Interview mit Alisson und Mayte von Arena y Esteras


Die Interviews mit Mayte und Alisson führten Vertreter:innen der teilnehmenden Gruppe der Ida Ehre Schule (Leana Kayser, Clara Böhm, Jelena Strunz und Sebastian von Hase) mithilfe von Sarah Höfling. Sie fanden nach der gemeinsamen Woche an der Ida Ehre Schule am Freitagabend, 26.6.2023, in Hamburg statt. Die Informationen in den eckigen Klammern sind Ergänzungen, die dem besseren Verständnis dienen sollen.

Leana: Wie heißt du?

Alisson: Ich heiße Alisson.

Wie alt bist du?

Ich bin 16 Jahre alt.

Wo kommst du her?

Ich bin aus Villa el Salvador, einem Stadtteil von Lima in Perú.

Was ist Arena y Esteras?

Arena y Esteras ist eine kulturelle Organisation, die Kunst als soziales Medium begreift um auf Ungerechtigkeiten und das, was totgeschwiegen wird, hinzuweisen und diese darzustellen, die hier in Villa el Salvador und in Peru im Allgemeinen geschehen sind. Wir machen Kunst und Zirkus und kümmern uns um soziale und ökologische Themen in Bezug auf die Umwelt.

Warum seid ihr hier?

Wir sind auf Einladung der KinderKulturKarawane hier, in deren Rahmen wir ein Theaterstück namens „Amarú“ aufführen. Und wir sind auch hier, um euch das, was wir wissen, beizubringen und um euch zu zeigen, welche Folgen der Klimawandel hat und wie ihr euer Bewusstsein dafür schärfen könnt.

Woran erkennt man den Klimawandel in Peru?

Der Klimawandel in Peru macht sich vor allem durch Treibhausgase bemerkbar. Im CO2-Fußabdruck für Peru sieht man viel zu viel Umweltverschmutzung, Müll überall auf den Straßen, in Flüssen, an Stränden, in einem Jahr sind 6000 Barrel Öl aus den Röhren der Firma Repsol ins Meer ausgelaufen. [Das geschah am 15.1.2022 beim Entladen eines Tankers des spanischen Ölkonzerns Repsol, 21 Strände wurden kontaminiert.] Es hieß dann, dass 82 % der kontaminierten Fläche bereits wieder sauber seien, aber in Wirklichkeit waren es nur 10 %, die Strände waren noch stark mit Öl verunreinigt. Manchmal sieht man tote Tiere und heimische für Peru sehr wichtige Vögel, die an dem Öl verenden. Die Luft ist auch sehr schlecht und das Atmen fällt schwer.
Der Vegetation in Peru geht es überhaupt nicht gut. Im Zentrum von Lima gibt es fast keine Natur, aber auch in anderen Städten ist es nicht sehr grün.

Verändert sich auch das Wetter in Peru?

Im Sommer zum Beispiel war es eigentlich bisher nicht so heiß. Aber jetzt ist es im Sommer sehr extrem, die Hitze ist unerträglich, mehr als heiß, es ist zu schwül. Villa el Salvador, wo wir leben, ist für sein schwüles Klima bekannt. Eigentlich beginnt ab April mehr oder weniger der Herbst/Winter und damit die kältere Jahreszeit, aber in Wirklichkeit ist die Hitze immer noch da, obwohl der Winter eigentlich bereits begonnen hat. Es ist nicht wirklich kalt und es gibt keine Luftfeuchtigkeit mehr. Jetzt ist es trocken und es ist sehr schädlich für die Umwelt.

Wie heißt das typische Klima in Lima, wenn es so neblig ist und man nichts sieht?

Das nennen wir in Peru „la panza de burro“ [auf deutsch: Eselsbauch], weil es bleiern und grau ist.

Warum ist der Klimawandel für dich so ein wichtiges Thema?

Für mich ist der Klimawandel sehr, sehr wichtig; es war ein Prozess, in dem meine Familie, meine Lehrer und Freunde mir beigebracht haben, fürsorglich zu sein mit der Umwelt, den Pflanzen und Tieren, und die mir erklärt haben, warum das Zusammenleben in der Gemeinschaft so wichtig ist, und wie wir eine gute Umwelt schaffen können, anstatt sie zu verunreinigen. Es gibt zum Beispiel Menschen, die man in Peru auf der Straße sieht oder die im Auto sitzen und den Müll einfach auf die Straße werfen. Doch dieser Müll verschwindet nicht, er bleibt. Es dauert zum Beispiel Jahre, bis Müllsäcke sich zersetzen. Es gibt Plastiktüten im Meer, in denen Schildkröten und Fische sich verfangen und sterben. Das passiert. Viele, viele Tiere sind wegen der Umweltverschmutzung vom Aussterben bedroht.

Du hast von Müll gesprochen und in der Szene, die wir zusammen auf die Bühne gebracht haben, war das ja auch Thema. Wie hat dir die Woche gefallen?

Es war lustig und hat Spaß gemacht, auch die Szenen, die wir zusammen gespielt und etwas verändert haben. Und gerade diese Müllszene, weil sie genau das zeigt, was in Peru andauernd passiert und man überall beobachten kann: Jemand isst etwas und wirft es auf den Boden, auch wenn da ein Mülleimer ist, vielen ist es ganz egal. Es gibt ja auch Recycling, aber eigentlich wird gar nicht alles recycelt.

Woher nehmt ihr die Energie weiter zu machen obwohl der Klimawandel fortgeschritten und die Situation verheerend ist?

Für uns ist dieses Thema so wichtig, wir berühren es immer, reden immer über den Klimawandel, die Situation, in der sich die Gesellschaft befindet. Alles, was wir tun sei es im Zirkus oder im Theater, passt immer dazu. Wir machen selbst Workshops, besuchen Orte, an denen Kinder oder ältere Erwachsene oder Freunde uns etwas über die Rechte der Erde beibringen und darüber, was für ein gutes Leben im Einklang mit der Natur und Mutter Erde wichtig ist. Ich selbst wollte Agrarwissenschaften studieren, weil mir das Thema Pflanzenpflege und der Einfluss, den das auf das Klima hat, wirklich gefällt.

Es gibt so viele Märsche, Demonstrationen, Sitzstreiks, bei denen Kinder für die Rechte des Landes kämpfen. Als es in Australien brannte, gingen wir als Tierfiguren auf Stelzen auf die Straße, um zu demonstrieren, und machten viele Zirkussachen [Von Juni 2019 bis März 2020 kam es vor allem in den an der Ostküste Australiens gelegenen Buschbrände zu zahlreichen extremen Buschfeuern.] Wir unterstützten uns gegenseitig und jeden, der da war, redeten über die Themen. Sie haben uns viele Male interviewt und uns gefragt, warum wir auf der Straße sind: weil es wichtig ist, wegen der Tatsache, dass so etwas [Umweltkatastrophen] immer wieder vorkommt, dass die Brände in Australien mittlerweile Normalfälle sind.

Bei vielen Sitzstreiks auf Demonstrationen ging es um Umweltthemen, wir haben auch mit der Nationalen Wasserbehörde ANA [Autoridad Nacional del Agua] geredet und versucht sie dazu zu bringen, uns zuzuhören und zu berücksichtigen, dass nicht nur wir betroffen sind, sondern an anderen Orten auch andere Menschen, andere Tiere, andere Dinge, andere Pflanzen betroffen sind. Wir müssen uns gegenseitig unterstützen. Das ist wichtig, weil es Menschen gibt, die sich mit diesem Thema nicht auskennen, die nichts davon verstehen, die einfach sagen: „Gut, ich pflanze dann mal was an, dann regeln wir das schon mit dem Klimawandel.“ Aber das ist nicht so. Das Ganze hat einen viel größeren Kontext, ein derart großes Dilemma, ein Riesenprojekt, das vor uns liegt.

Vielen Dank, Alisson.

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Leana: Wie heißt du?

Mayte: Ich heiße Mayte.

Wie alt bist du?

Ich bin 15 Jahre alt.

Was unterscheidet Deutschland und Peru?

Deutschland ist viel ruhiger, sauberer und geordneter. Peru dagegen ist viel chaotischer, schmutziger und verunreinigter.

Hat es dir gefallen mit der 8c zusammenzuarbeiten?

Ja, die Mädchen und Jungen sind sehr witzig, manchmal ein bisschen unruhig und chaotisch, dafür aber auch intelligent und talentiert.

Wie haben dir die die drei Szenen gefallen, die sie euch gezeigt haben?

Die Szenen waren sehr interessant. Am Anfang haben wir nicht viel, eigentlich nichts verstanden von dem, was sie auf Deutsch gesagt haben. Aber dann haben sie uns erklärt, was jede Szene darstellen soll. Es war sehr interessant und sehr anders und einzigartig, denn nicht in allen Stücken wird ein so spezifisches Thema behandelt [Es geht um die Migration eines ghanaischen Jungen mit dem Boot über das Mittelmeer nach Europa]. In jeder Szene haben die Jugendlichen das gezeigt, was sie gemeinsam als Gruppe geschaffen haben, das war sehr interessant.

Was möchtest du nach der Schule machen?

Wenn ich mit der Schule fertig bin, würde ich gerne Szenische Künste studieren und mich mehr auf das Theater konzentrieren, verschiedene Stücke mit verschiedenen Themen machen, hauptsächlich soziale Themen, so dass die Leute sehen können, was wir vermitteln wollen. Es gibt auch ein gegenseitiges Versprechen mit einer Freundin, dass wir gemeinsam ein eigenes Stück machen werden.

Ist das Studium der Szenischen Künste auch pädagogisch, geht es darum später Theater
unterrichten zu können?

Ja, obwohl die Szenischen Künste eher allgemein zu verstehen sind, man lernt, was hinter der Bühne, vor der Bühne und auf der Bühne passiert. Es geht um Requisiten und all diese Dinge, Kostüme, das Bühnenbild und auch um die Schauspielerei. Aber ich möchte mich mehr auf das Theaterspielen konzentrieren, mehr als auf alles andere auf der Bühne. Als Schauspielerin und ja, auch als Lehrerin.

Wie entwickelt ihr bei Arena y Esteras eure Stücke?

Bei Arena y Esteras werden die Stücke immer von Gruppen entwickelt, die die Ideen dazu liefern. Wenn wir zum Beispiel die Geschichte erzählen wollen, wie der Ort, an dem wir leben, entstanden ist, beginnen wir mit einer Recherche. Wir erforschen dann sehr genau: Durch welche Ereignisse ist der Ort entstanden? Zu welchem Zeitpunkt? Was ist seither passiert? Von dort aus kreieren wir kurze Szenen, in denen wir eines dieser Ereignisse darstellen, an das man sich früher erinnert hat oder an an die man sich erinnert. Wenn wir über Mythen sprechen, fahren wir in Regionen, aus denen die Mythen kommen, z.B. in die Andenregionen, wo noch heute die Geschichten weitererzählt werden, die schon die Vorfahren erzählten.

Gibt es bei einem Stück wie „Amarú“ einen Regisseur, der am Ende alles zusammenfügt und entscheidet, wie es gemacht wird? Oder entsteht das in einem Prozess, in dem ihr gemeinsam probt, diskutiert und entscheidet, wie die Szenen sein werden?

Also auf jeden Fall schlägt jeder vor, was er in seiner Szene haben möchte. Mein Partner hat zum Beispiel das Diabolo vorgeschlagen und das haben wir dem Regisseur vorgestellt. Und der Regisseur sieht es sich an, sagt, was seiner Meinung nach gut und weniger gut passt. Und dann zeigen wir ihm das ganze Stück und er bessert ein paar Details aus, wir feilen mit ihm an Szenen und er empfiehlt uns ein paar Dinge, wie zum Beispiel, dass wir nicht jedes Musikstück nacheinander proben sollen, sondern dass wir die ganze Musik zusammenstellen und sie einfach am Stück spielen und laufen lassen sollten. Und wenn das nicht klappt, dann haben wir immer noch unseren Regisseur, der uns hilft. Doch bevor wir ihm etwas vorspielen, müssen wir etwas vorbereiten und unsere Szene strukturieren. Es geht immer um das Warum. Warum kommt dieses Element genau an dieser Stelle und nicht an einer anderen, warum genau so und nicht anders.

Wer führt bei euren Stücken Regie?

Arturo und Ana Sofía [die Arena y Esteras auch gegründet haben].

Was magst du am Theater am Liebsten?

Auf der Bühne eine andere Person zu sein. Man gibt dir eine andere Rolle und auf der Bühne bist dann nicht mehr du, sondern die Figur. Und die Tatsache, dass du die Persönlichkeit änderst, ist etwas Besonderes und sehr Schönes, weil du deine eigenen Gefühle in die Rolle hineingeben kannst und auch die Rolle auf dich selbst zurückwirkt.

Es gibt viele folkloristische Elemente in eurem Stück, Tänze, Legenden. Und du und die
anderen, ihr seid sehr jung. Ist es in Peru sehr verbreitet, dass auch jüngere Menschen sich mit diesen Dingen beschäftigen?

Nein, das ist nicht sehr verbreitet. Aber eigentlich alle kennen viele Legenden, über alles Mögliche. Entweder weil die Eltern sie erzählt haben, oder weil man sie sich unter Freund:innen erzählt. Legenden aus den Anden werden eher seltener erzählt. Ich kenne viele durch meine Eltern, die aus den Anden kommen. Auch ist es eher ungewöhnlich, das so in einem Theaterstück zu sehen, da nicht viele Kinder in Peru sich mit Zirkustheater beschäftigen. Mit Tanz schon, aber nicht mit Tanz als einem Element des Theaters. Viele Jugendlichen tanzen auch eher andere Tänzen, zum Beispiel Pop oder Ballett. Wir dagegen nicht. Aber das ist tatsächlich auch eher ungewöhnlich.

Vielen Dank, Mayte.

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