Deutschland und Klimawandel

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Überschwemmungen in Deutschland. Quelle: Pixabay

„Klimawandel findet auch in Deutschland statt und er wirkt in viele Bereichen des täglichen Lebens hinein. Die Anpassung an den Klimawandel geht uns daher alle an.“  Barbara Hendricks, Umweltministerin für Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit (2015)

Auch in Deutschland zeigen sich die Folgen des Klimawandels immer deutlicher. Vor allem die Häufigkeit von starken Wetterschwankungen oder Extremwettereignissen nimmt zu. Ungewöhnlich heiße und trockene Sommer wie 2003 und 2018, zerstörerische Unwetter, Hochwasser und Überschwemmungen wie im Frühjahr 2016 in Süddeutschland oder das Schneechaos in Bayern im Januar 2019: alle diese Extremwetterereignisse können zwar immer mal wieder als natürliche Klimaschwankungen vorkommen, aber – so die Experten – nicht in dieser Häufigkeit und mit diesen Ausmaßen. Die meisten Wissenschaftler:innen werten diese Erscheinungen deshalb als Folgen des Klimawandels.

2017 forderten Extremwetterereignisse in Deutschland 27 Todesopfer und richteten Schäden in Höhe von knapp 3,6 Milliarden US-Dollar an. Deutschland lag damit im Jahr 2017 auf Rang 40 vom Klimarisikoindex (German Watch). Der Klimarisikoindex (KRI) zeigt, wie stark Länder von Wetterextremen wie Überschwemmungen, Stürmen, Hitzewellen etc. betroffen sind. In Deutschland verursachten vor allem Orkantiefs im Herbst sowie regionale Stark- und Dauerregen nach langer Trockenheit im Frühsommer große Schäden. Erfasst werden im KRI die Anzahl der menschlichen Todesopfer sowie die direkten ökonomischen Verluste. Indirekte Folgen von Extremwetterereignissen (z.B. Waldbrände) oder langsam einsetzende Ereignisse wie der Anstieg des Meeresspiegels und die Versalzung der Böden bildet der Klimarisikoindex nicht ab.Wenngleich die Auswertungen über die Schäden und Todesopfer keine Aussage darüber erlauben, welchen Einfluss der Klimawandel bereits direkt bei diesen Ereignissen hatte, so werfen die Zahlen doch ein Licht auf die Verwundbarkeit der Staaten

In den Alpen führt die Erderwärmung zu einem massiven Abschmelzen der Gletscher: Seit dem Jahr 2000 verlieren die Alpengletscher jährlich 2-3% ihres Volumens. Zwischen 1970 und 2000 waren es jährlich noch etwa 1%. Somit wird bis 2050 deutlich mehr als die Hälfte der alpinen Gletscherfläche (von 2000) verschwunden sein. Damit verändert sich die Landschaft entscheidend: Wo vordem das Schmelzwasser Pflanzenwuchs ermöglichte und damit auch Lebensraum für viele Kleintiere schuf, entstehen nun durch die Wasserknappheit öde Gesteinswüsten, in denen sich nur wenige Lebewesen wohlfühlen.

Mit den Gletschern verschwindet auch ein Teil der Arten. Andere verlagern ihren Lebensraum in höhere Lagen und verändern damit die alpinen Ökosysteme. Die steigenden Temperaturen wirken sich auch fatal auf die Geologie der Alpen aus. Der dauerhaft gefrorene Boden wird instabil – Erdrutsche und Bergabgänge sind die Folge. Außerdem führt die Gletscherschmelze zu einer Verknappung des Trinkwassers, denn das Süßwasser aus der Gletscherschmelze ist das Haupttrinkwasser-Reservoir der Alpenregion. Möglicherweise werden in kommenden Sommern die Brunnen im Alpenraum leer bleiben. 

Klimawandel in Deutschland

Durch die Wetterschwankungen und Extremwetter (Stürme, Starkregen, Hagel, Hitzewellen, Hochwasser) entstehen v.a. Probleme in der Landwirtschaft: ein Qualitätsverlust bei den Erträgen oder gar der Verlust ganzer Ernten sind zu erwarten.
Auch die Energieversorgung kann betroffen sein: Im Jahrhundertsommer 2003, der noch heißer war als der Sommer 2018, mussten beispielsweise 30 europäische Kraftwerke ihre Stromproduktion reduzieren, da durch die starke Hitzewelle nicht genügend Kühlwasser zur Verfügung stand.

Im Bereich der Gesundheitsvorsorge macht man sich ebenfalls Gedanken: Durch die Hitze kann es vor allem bei alten oder kranken Menschen sowie bei kleinen Kindern zu Herzkreislaufstörungen kommen. Zudem werden Infektionskrankheiten und Allergien begünstigt, da es durch die Trockenheit verstärkt zum Pollenflug kommt. Krankheitserreger verbreiten sich bei erhöhten Temperaturen leichter. Es wird mit einer größeren Verbreitung von Zecken und dem Auftreten neuer „wärmeliebender“ Insekten gerechnet, welche Malaria u.a. tropische Krankheiten übertragen können. Auch das Hautkrebsrisiko ist durch die Veränderung der natürlichen UV-Licht-Belastung erhöht.

In Anbetracht dieser großen Herausforderungen, mit denen Deutschland in den kommenden Jahrzehnten konfrontiert werden wird, erscheint der im November 2016 von der Bundesregierung verabschiedete Klimaschutzplan 2050 in weiten Teilen unzureichend. Zwar werden einige präventive Maßnahmen gegen den Klimawandel getroffen: so sollen z.B. Hitzewarnsysteme insbesondere Pflegeeinrichtungen dabei unterstützen, sich auf die heißen Temperaturen vorzubereiten. Ebenfalls wird zu neuen Obst- und Gemüsesorten geforscht, welche sich an längere Trockenphasen anpassen können. Aber insgesamt wird deutlich, dass die geplanten Maßnahmen kaum ausreichend sind, damit Deutschland seine selbst gesetzten Klimaziele erreicht.

Deshalb haben drei deutsche Familien von der Insel Pellworm, aus dem Alten Land und aus Brandenburg im Oktober 2018 gemeinsam mit Greenpeace eine Klage gegen die Bundesregierung eingereicht. Sie klagen auf Einhaltung des von der Regierung zugesicherten Klimaziels, bis 2020 die nationalen Treibhausgasemissionen um 40% zu verringern. Dieses Ziel wird vermutlich verfehlt. Die Lebensgrundlage der klagenden Bio-Landwirte und Apfelbauern ist aber direkt von der Erderhitzung bedroht. Es geht um ihre Existenz.
Wenige Monate vorher hatten zehn Familien aus fünf EU-Staaten, Kenia und Fidschi sowie eine Jugendorganisation aus Schweden eine Klimaklage gegen die Europäische Union eingereicht, darunter auch eine Familie von der ostfriesischen Insel Langeoog. Sie alle werfen der EU vor, dass die Klimaziele bis 2030 unzureichend seien und damit ihre Grundrechte verletzt werden. Es klagen ausschließlich Familien, die direkt von den Folgen des Klimawandels bedroht sind: die Heimat der Langeooger Familie droht z.B. auf lange Sicht im Meer zu versinken.

Klimawandel in Norddeutschland

Nach einer Studie des Umweltbundesamtes werden Deutschlands Regionen unterschiedlich stark von den Folgen des Klimawandels betroffen sein. In Norddeutschland muss ebenfalls mit einer Erwärmung gerechnet werden, die Klimamodellen zufolge jedoch niedriger als im Bundesdurchschnitt ausfällt. Im letzten Jahrhundert ist die Temperatur in Norddeutschland durchschnittlich um 0,4-0,8°C gestiegen. Die Erwärmung war im Sommer am geringsten und im Winter am größten. Bis zum Ende des 21. Jahrhunderts sind Erwärmungen zwischen 2-4,7°C möglich.

Von 1951 bis 2000 haben sich die Niederschlagsmengen im Sommer um etwa 20% reduziert; in den anderen Jahreszeiten dagegen bis zu 20% erhöht. Trockenperioden dauern im Frühjahr inzwischen länger an als vor einigen Jahrzehnten. Für die Zukunft ist vor allem in den Wintermonaten mit deutlich erhöhten Niederschlagsmengen zu rechnen. Auch Starkniederschläge und regenreiche Tage haben zugenommen. Bis Ende des Jahrhunderts erscheint in Norddeutschland eine Niederschlagszunahme von 11-41% im Winter möglich, wohingegen der Sommerniederschlag um die gleiche Menge abnehmen kann. Zudem lassen alle Klimaszenarien eine Abnahme der jährlichen und der winterlichen Sonnenscheindauer erwarten.

An den norddeutschen Küsten hat sich die Wasseroberfläche in den letzten Jahrzehnten zunehmend erwärmt und der Meeresspiegel ist um 15-20 cm gestiegen. Bis 2100 wird eine weitere Erwärmung in der Deutschen Bucht von 1-2°C erwartet, während der Meeresspiegel um weitere 20-80 cm steigen kann. Dadurch können häufiger (leichte) Sturmfluten eintreten.

Mit den steigenden Wassertemperaturen halten auch neue Arten Einzug in die Nordsee und Elbe, was zur Verschiebung von Tier- und Pflanzenarten führen kann, nicht unbedingt aber den Rückgang der Artenvielfalt bedeuten muss. Das Ausbleiben strenger Winter und häufige Südwestwinde, mit denen wärmeres Wasser in die Nordsee einströmt, sind auch für die Änderungen der Meeresfauna (z.B. Fische, Quallen) ausschlaggebend.

Für die Zukunft wird erwartet, dass sich der Anstieg der Temperatur in Verbindung mit trockeneren Sommern weiter fortsetzt. Eine Folge wäre die Verstärkung des sommerlichen Sauerstoffmangels in den Tideflüssen, was wiederum zusammen mit den höheren Temperaturen zu vermehrtem Fischsterben führen könnte.

In Schleswig-Holstein haben Landwirtschaftsflächen mit rund 70% bundesweit den größten Anteil. Der bisher beobachtete Temperaturanstieg hat bereits – verglichen zu den 1970er Jahren – zu einem deutlich (2-3 Wochen) früheren Blühbeginn der Obstgehölze geführt. Der zeitigere Beginn der Baumblüte kann die Gefahr von Spätfrostschäden erhöhen. Eine einzige strenge Frostnacht kann im Extremfall den Ertrag eines ganzen Jahres nahezu vernichten. Die genannten klimatischen Veränderungen können zudem zum Aussterben alter Sorten (wie z.B. der Apfelsorte „Holsteiner Cox“) und zum vermehrten Auftreten von Schädlingen im Obstanbau führen.

Insgesamt bleibt aber eine gute Ausgangslage für den Pflanzenbau in Norddeutschland bestehen: die im Vergleich zum Bundesdurchschnitt niedrigeren Temperaturen und die gute Niederschlagsversorgung sorgen dafür, dass die Auswirkungen der Klimaänderungen hier vergleichsweise geringer ausfallen oder sich die Anbaubedingungen zunächst sogar noch verbessern könnten und den Anbau anderer Sorten bzw. Kulturarten möglich machen.

Der Newsletter „Klimawandel im Norden“ informiert zum neuesten Stand der Klimaveränderungen.

Klimawandel in Hamburg

Der zweite Klimabericht Hamburg (2018) belegt umfassend die bereits stattfindende Erwärmung in der Metropolregion Hamburg, in deren Folge sich deutliche Änderungen im Ökosystem abzeichnen und künftig weiter verstärken können.

Seit 1881 sind die Temperaturen in der Metropolregion um etwa 1,4°C angestiegen, davon entfallen rund 1,2°C auf die Zeit nach 1951. Bis zum Ende des Jahrhunderts wird in Hamburg ein Temperaturanstieg um weitere 1-5°C erwartet (im Vergleich zu heute). Im Stadtgebiet von Hamburg ist es dabei im Durchschnitt etwa 0,1°C wärmer als im Umland, mit lokalen Spitzenwerten von 1,2°C in der dicht bebauten Innenstadt. Zwischen Mai und Oktober sind die Temperaturdifferenzen mit bis zu 3°C gegenüber dem Umland am größten. Dieser sog. Wärmeinseleffekt ändert sich durch den Klimawandel kaum. Dabei werden heiße Tage in der Stadt häufiger als im Umland auftreten.

Zudem können Starkniederschläge zunehmen, die sich aber unterschiedlich auf die Stadt verteilen. Im Norden und im Südosten der Stadt wurden bereits Zunahmen von 5 bis 20% der Tagesniederschlagsmengen festgestellt, im Stadtzentrum waren es weniger. Einen Nachweis für stärkere Stürme gibt es bisher nicht. Die seit den 1960er Jahren erkennbare leichte Zunahme von Sturmhäufigkeit und -intensität bewegt sich langfristig (d.h. auf 100 Jahre betrachtet) im Rahmen natürlicher Schwankungen.

Dabei bereitet der Stadt nicht so sehr die Temperaturerhöhung Sorgen, sondern mehr noch das Risiko für Überschwemmungen und Sturmfluten. Hamburg versucht sich so gut es geht anzupassen, auf mögliche Katastrophen vorzubereiten und den Klimaschutz zu fördern.

So soll bei der Beschaffung von Ressourcen künftig mehr auf den ökologischen Fußabdruck geachtet und die jährlich für rund 250 Mio. Euro beschafften Waren, Güter und Dienstleistungen sollen stärker nach ökologischen Kriterien ausgerichtet werden. Der Hamburger Senat hat dazu einen umfassenden Kriterienkatalog beschlossen – angefangen vom Druckerpapier über Glühbirnen und Wandfarben bis hin zum Dienstwagen. Der Kriterienkatalog enthält auch eine Negativliste mit Produkten, die die Stadtverwaltung künftig nicht mehr einkaufen und einsetzen darf: z.B. Kaffeemaschinen mit Alukapseln, Mineralwasser in Einwegflaschen, Einweggeschirr oder chlorhaltige Putzmittel.

Allerdings werden von verschiedenen NGOs, Wissenschaftler:innen und politischen Akteuren Hamburgs Aktivitäten im Bereich Klimaschutz als in Teilen ungenügend oder als unzureichend eingeschätzt. Damit die Stadt ihre Klimaziele erreichen kann, sind u.a. ein sofortiger Ausstieg aus der Kohleverbrennung in Hamburg und der Stopp jeglicher neuer Investitionen in fossile Brennstoffunternehmen notwendig.

Weiterführende Materialien

Klimazeugenbericht: Ruth Hartwig-Kruse, Hallig Nordstrandischmoor
Pellworm: Eine Familie verklagt die Bundesregierung
Brandenburg: Klimaklage der Familie Lüttke
Altes Land: Klimaklage einer Apfelbauerfamilie
Zukunftsfähiges Hamburg: Zeit zum Handeln
Klimawandelfolgen in Deutschland
Klimawandel in Norddeutschland
Extremwettereignisse auf dem Vormarsch
Unterrichtseinheit: Die Folgen des Klimawandels für Deutschland
KlimaFolgenOnline